Der Optimierungsprozess der Coax Gen2 Serie – Ein Interview mit Roger Kessler

August 2022
von Livia Weber und Roger Kessler

Unsere Coax Serie ist ein absoluter Klassiker. Ursprünglich vom Pionier Kurt Scheuch entworfen, wurde sie nun vom PIEGA Entwicklungsteam auf höchstem Niveau akribisch überarbeitet. Ich durfte Roger Kessler, Leiter Entwicklung bei PIEGA, einige Fragen zum Entwicklungsprozess und den gezielten Optimierungen stellen.

ROGER KESSLER, LEITER ENTWICKLUNG

„Ich vergleiche die Coax Gen2 Lautsprecher gerne mit dem Porsche 911 – beide faszinieren auf ihre eigene Art; sind knifflig zu bauen, bringen aber umso mehr Fahrspass, respektive Hörvergnügen!“

Was für eine Bedeutsamkeit hat die Coax Serie für PIEGA?

Die Coax Serie ist für PIEGA die wahrscheinlich wichtigste Baureihe, denn sie prägt die Wahrnehmung der Marke wie keine andere. Sie steht für Schweizer Handarbeit und verkörpert mit dem koaxialen Bändchen die Essenz von PIEGA. Besonders die Coax 711 lässt mit ihren vier 22er-Bässen keinen Zweifel daran, dass hier ein „amtlicher“ Lautsprecher Musik macht – Kurt hat einen echten Klassiker geschaffen.

Die Coax ist seit Jahren ein bedeutender Umsatzträger bei PIEGA. Dennoch, oder gerade deshalb war eine Rundumerneuerung an der Zeit.

Was wurde an der Coax Serie optimiert?

Alles! *lacht*

Nein im Ernst, es wurde jeder einzelne Aspekt analysiert, hinterfragt und verbessert.

Am augenfälligsten sind wohl die neue Grösse und die Form: Die Lautsprecher verfügen jetzt über mehr Volumen. Die Gehäuseform wurde akustisch optimiert, damit der rückwärtige Schallanteil im unteren Mitteltonbereich besser absorbiert wird. Das Mehr an Volumen hilft, einen gleichzeitig sauberen, respektive „trockenen“ und dabei vollen Bass zu erzeugen.

Ein grösseres Gehäuse führt unweigerlich zu einer Veränderung am Tension Improve Module. Denn durch die grösseren Flächen neigt das Gehäuse mehr zum Mitschwingen, was klanglich nicht optimal ist.

Welche Verbesserungen wurden konkret vorgenommen?

Bis anhin versetzte das «Tension Improve Module» (TIM) das Lautsprechergehäuse mit Druck auf die Seitenwände von innen unter eine kontrollierte Spannung, was Gehäuseschwingungen sehr effektiv zu unterdrücken vermochte. Um noch bessere klangliche Resultate zu erzielen, wird das neue TIM2 unter Zug gesetzt und formschlüssig mit dem Gehäuse verschraubt. Dadurch werden die Seitenwände verankert und der Bass bleibt, wie er sein soll: trocken und präzise.

 

Bild 1: Erste Generation

Bild 2: Zweite Generation

Wurde das Herzstück, also der Koax Mittelhochtöner, auch verbessert?

Ja klar, die grösste Optimierung fand hier statt: Ein zusätzliches Neodym-Magnet über dem Hochtöner gibt diesem einen höheren Wirkungsgrad, vor allem bei der Coax 811 – ziemlich cool im klanglichen Resultat. Die Frontplatte wurde mit einer Querverstrebung versteift, dadurch können die Magnete „weich“ verklebt werden und es entstehen keine störenden Resonanzen.

Exklusiv wird eine neu entwickelte Spezialbeschichtung der Folie eingesetzt. Diese linearisiert den Frequenzgang im unteren Übertragungsbereich und erlaubt eine tiefere Anbindung an den Tieftöner. Der Koax-Treiber übernimmt so bereits ab 450 Hz. Der sensible Bereich der Gesangsstimmen wird perfekt wiedergeben und garantiert ein neutraleres Klangbild.

 

Bild 1: Erste Generation

Bild 2: Zweite Generation

Das klingt nach ziemlich viel Aufwand! Zeigt sich dieser im Ergebnis?

Auf jeden Fall!

Das koaxiale Bändchen-System bietet Vorteile, die man bei normalen Mitteltönern nicht für viel Geld und gute Worte findet. So ist der „Antrieb“ prinzipbedingt auch gleichzeitig die Membran, also der Klang erzeugende Teil. Das führt zu einer geradezu sensationellen Leistung -, also richtig viel PS pro kg.

Zusätzlich sind das Mittel- und Hochtonbändchen auf einer Ebene und koaxial angeordnet. Dadurch wird der Schall aus einem Punkt, also von der Punktschallquelle wiedergegeben, was super für eine natürliche Abbildung von Gesang ist. Denn eine Stimme kommt in der Realität auch nur von einem Punkt.

Wie ist das Entwicklungsteam aufgestellt? Arbeitet Kurt Scheuch auch nach seiner Pensionierung noch mit?

Konzeptionell auf jeden Fall. Viele der Neuerungen stammen von Kurt. Bei anderen Optimierungen stand er als kritischer Diskussionspartner zur Seite.

Die operative Last lag früher konzentriert bei einer bis zwei Personen. Heute ist – auch an einem passiven Lautsprecher – ein ganzes Team beteiligt. Man braucht Konzept, Design, Konstruktion, Akustik, Beschaffung, Marketing usw. Alle müssen sich abstimmen, es braucht also ein funktionierendes Team. Dabei gilt: Je bunter das Team, desto divergentere Ansichten treffen aufeinander. Das macht den Entwicklungsprozess nicht einfacher, das Endprodukt profitiert dafür umso mehr.

Gerade in einem kleinen Unternehmen wie PIEGA ist dieser Teamspirit enorm wichtig, und dieser ist bei uns reichlich vorhanden.

Eine klare Aufgabenteilung gibt jedem Einzelnen die Möglichkeit, auf seinem Spezialgebiet besser zu werden. Ein agiles Projektmanagement bietet zudem die Chance, auch mehrere Entwicklungen parallel zu fahren und auf die Dynamik sich verändernden Rahmenbedingungen schnell und vor allem kontrolliert zu reagieren. Zurzeit sind das bei PIEGA fünf an der Zahl. Und nein, ich verrate nicht, was als Nächstes auf den Markt kommt.

Worin lag aus deiner Sicht die grösste Herausforderung im Entwicklungsprozess?

Bei jeder Entwicklung gibt es Herausforderungen und arge Überraschungen, wie beispielsweise die Pandemie. Diese hat bei PIEGA für einige Schwierigkeiten in der Beschaffung gesorgt. Verzögerungen in der Lieferkette haben den Entwicklungs- und Herstellungsprozess massiv erschwert und den Prozess bis zum finalen Produkt deutlich in die Länge gezogen. Lautsprecher lassen sich halt nur schwer im Homeoffice entwickeln.

Aber die eigentliche Herausforderung lag in der Frage: Wie perfektioniert man einen Klassiker?

Es galt den Kern des Lautsprechers herauszuarbeiten und zu unterstreichen. Keine konzeptionellen Änderungen, sondern Details definieren das Produkt.

Die Coax ist, wie jeder PIEGA Lautsprecher, auch ein Designstück. Die Vorgänger Coax Serie bestand seit mehreren Jahren unangetastet und ist optisch noch immer ein sehr schöner und stimmiger Lautsprecher. Aus diesem Grund haben wir uns dazu bewogen, die bisherigen Coax Modelle als Coax LTD Serie bestehen zu lassen. Wer sie aber neben der neuen Reihe sieht, dem wird sofort klar: Das Design hat sich weiterentwickelt.

Dasselbe gilt für den Klang. Die „alte“ Coax ist ein faszinierender Lautsprecher, trotzdem ist es dem Team gelungen auch hier deutliche Schritte nach vorne zu machen.

Zum Schluss würde mich noch interessieren: Was macht die koaxialen Lautsprecher aus Sicht ihres Entwicklers einzigartig?

Für mich persönlich ist es die Geschichte hinter dem Lautsprecher. Die akribische Handarbeit und Präzision von der Planung bis zur handgemachten Fertigung, machen den Unterschied.

Hör dir Coax Gen2 an und schaffe dir jetzt dein eigenes Sound-Erlebnis: